In Politik, Gesellschaft oder Technik lassen sich um 1800 massive Veränderungen beobachten, die vereinfacht als Prozesse der ‚Modernisierung’ bezeichnet werden können. Einerseits befragt ‚die Aufklärung‘ den Stellenwert der (adamitischen) Religion(en) für den einzelnen wie die Gesellschaft und setzt so Prozesse der Säkularisierung in Gang, andererseits bleibt Religion in welcher Ausformung auch immer in der sog. Sattelzeit zentral. Derselbe ambivalente Befund gilt auch für die Autor*innen und die Literatur dieser Jahre: Zwar hat ‚die Religion‘ die Funktion eines allein maßgeblichen Welterklärungsmodells längst verloren, und doch arbeiten sich nicht wenige Texte sowohl an ihren Traditionen als auch an den diese verwaltenden (u.a. kirchlichen) Institutionen ab. – Das Seminar nähert sich der Frage nach der Rolle der Religion zwischen 1770 und 1830 aus zwei disziplinären Perspektiven, die naturgemäß eng miteinander verschränkt sind und doch je unterschiedliche Zugänge zu den Gegenständen privilegieren: Interessieren die Literaturwissenschaft in diesem Zusammenhang Fragen der Toleranz und Gleichberechtigung der Religionen (Lessing, Dohm), die sprachbildende Kraft der Säkularisation im Umgang mit christlichen (Kleist) und jüdischen Traditionen (Maimon), esoterische Tendenzen (Goethe) oder das Verhältnis von Kunstreligion und religiöser Kunst (Wackenroder/Tieck, Brentano), so fragt die Geschichtswissenschaft nach (post-) aufklärerischen Umformungen konfessioneller Religion, geschlechtergeschichtlichen Neuorientierungen oder einem neuen Umgang mit nichtchristlichen Religionen. – Erwartete Studienleistung: regelmäßige Teilnahme, Lektüre- und Diskussionsbereitschaft; Mitwirkung an einer Expertengruppe zu einer thematischen Einheit des Seminars (bevorzugt in interdisziplinärer Kooperation).
Zur Einführung empfohlen: Bernd Auerochs: Literatur und Religion. In: Religion in Geschichte und Gegenwart. Bd. 5. Tübingen 32002, Sp. 391-403; sowie die entsprechenden Passagen in: Andreas Holzem: Christentum in Deutschland 1550-1850. 2 Bde. Paderborn 2015.
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