Melancholische Haltungen durchziehen die Popmusik quer durch alle Genres – vom Indie Rock von Broken Bells und Florence & The Machine und Haim über die singer-songwriter-Szene (Lana del Rey, Tom Odell, George Ezra) bis zur deutschsprachigen Szene um Paula Hartmann, Nina Chuba und AnnenMayKantereit.
Das Seminar beleuchtet, ob es sich rein um ästhetische Strategien der Selbstinszenierung handelt oder ob sich dahinter eine krisenartige gesellschaftliche Symptomatik verbirgt. Die Arbeitshypothese lautet, dass melancholische Popmusik ein Aushandlungsfeld für Positionen darstellt, die Ambivalenzen und Verunsicherungen Raum gibt, für die in der standardisierten Mediengesellschaft und in einem Klima von Selbstoptimierung kaum Platz vorgesehen ist.
Aktuelle Ansätze, die Melancholie mit Resilienz in Verbindung bringen (Robin James) werden ebenso diskutiert wie musikpsychologische Theorien, denen zufolge Melancholie zu einem sich selbst verstärkenden double-bind führt, aus dem man sich kaum lösen kann – während andere Theorien begründen, warum melancholische Musik glücklich macht. Melancholie scheint die Bedingung von Musik schlechthin zu sein (Michael P. Steinberg). Überraschenderweise zeichnet sich hier eine Traditionslinie ab, die bis in die Lieder der Renaissance zurückreicht.
Das Seminar kombiniert Fallstudien ausgewählter Songs, tracks und Performances mit Einblicken in die aktuelle Theoriebildung in der Musikphilosophie, der critical musicology, der Musikpsychologie und Musikanthropologie.
James, Robin, Resilience & melancholy: pop music, feminism, neoliberalism, Alresford/Hants UK, 2015.Sachs, Matthew E.; Antonio Damasio; Assal Habiti, “The pleasures of sad music: a systematic review”, in: Frontiers in Human Neuroscience, 2015 Jul 24;9:404. doi: 10.3389/fnhum.2015.00404Schubert, Emery, “Liking music with and without sadness: Testing the direct effect hypothesis of pleasurable negative emotion”, in: PLoS ONE, 19 (2024) http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0299115Steinberg, Michael P., “Music and Melancholy”, in: Critical Inquiry, Volume 40, Number 2, Winter 2014, https://doi.org/10.1086/674116
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