Soziologen attestieren der Spätmoderne, eine Art „Beratungsgesellschaft“ hervorgebracht zu haben: Wir Heutigen können (und sollen!), sofern wir gesund und erfolgreich sein wollen, in jeder Lebenslage professionelle Ratgeberinnen und Ratgeber aufsuchen. Andererseits ist Beratung ein uraltes Phänomen, denn schon vor über 3000 Jahren haben sich die Menschen mit ihren Lebensfragen an Orakel, Priester oder weise alte Männer gewandt (junge Männer und Frauen galten, zumindest in der westlichen Kultur, in puncto Rat als unzuverlässig). Wenn wir im SE den Zusammenhang von Literatur und Beratung verfolgen, nähern wir uns dem Phänomen von zwei Seiten: Wir fragen einerseits, wie literarische Texte Beratungssituationen und – institutionen reflektieren und modellieren, und schauen andererseits, wie Bücher selbst zu Ratgebern werden können. Dabei untersuchen wir Texte vom Mittelalter bis in die Neuzeit: Wir schauen auf Beraterfiguren in der höfischen Epik und auf mittelalterliche Fürstenspiegel als frühe Formen von Ratgeberliteratur, beleuchten das Zeitalter der Sekretäre und Geheimen Räte in der frühen Neuzeit und enden mit der Explosion der Ratgeberliteratur und How to-Bücher im 20. Jahrhundert. – Erwartet wird eine regelmäßige und aktive Teilnahme, die die Übernahme von kleineren Arbeitsleistungen wie Protokollen, Literaturrecherchen oder Referaten einschließt.
H. Wandhoff: Was soll ich tun? Eine Geschichte der Beratung. Hamburg 2016; Non Fiktion. Das Arsenal der anderen Gattungen, Themenheft „Ratgeber“, 7 (2012), Heft 1. Die Primärtexte, mit denen wir arbeiten, werden im SE vorgestellt.
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