Judenfeindliche Stereotype durchziehen die Geschichte des Christentums seit ihren Anfängen. Während jedoch im Mittelalter Legenden über Ritualmorde, Hostienfrevel, Brunnenvergiftungen etc. den christlichen Judendiskurs bestimmten, traten mit der Reformation und in der beginnenden konfessionellen Konkurrenzsituation neue Gehalte und Funktionen des theologischen Antijudaismus in den Vordergrund. Aus protestantischer Sicht wurde das Judentum als papistische Werk- und Gesetzesreligion desavouiert. In der altgläubigen Kontroversliteratur wurden die Protestanten als judenähnliche Verächter und Zerstörer des wahren Glaubens dargestellt. Wie die Judenfrage als Argument eingesetzt wurde im frühen Konfessionsstreit soll im Seminar durch die Analyse von deutschsprachigen Primärquellen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erarbeitet werden: etwa anhand der frühen und späten „Judenschriften“ von Martin Luther, der Schrift „Ains Judenbüchlins Verlegung“ des altgläubigen Kontroverstheologen Johannes Eck oder des Werkes „Der gantz judisch Glaub“ des jüdischen Konvertiten Antonius Margaritha. Wo stimmten die unterschiedlichen konfessionellen Lager in der stereotypen Wahrnehmung jüdischer Religion überein und wo unterschieden sie sich in deren polemischer Instrumentalisierung? Und wo lassen sich in diesem frühneuzeitlichen religiösen Antijudaismus Wurzeln, Versatzstücke und Vorformen ausmachen zum rassistischen Antisemitismus der Moderne?
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