Seit Jahrhunderten motiviert die Angst vor technologischer Arbeitslosigkeit Angriffe auf Maschinen und eine Industrie von Kommentaren, die das Risiko zukünftiger, arbeitsersetzender Erfindungen vorhersagen – das wohl berühmteste Beispiel sind die Ludditen. Heutzutage grassieren ähnliche Sorgen um Künstliche Intelligenz. Technologische Arbeitslosigkeit tritt auf, wenn die Einführung einer neuen Technologie zu einer Reduzierung der in der Produktion eines Gutes oder der Erbringung einer Dienstleistung beschäftigten Belegschaft führt. Dies kann innerhalb eines Unternehmens geschehen, wenn Unternehmer Arbeiter entlassen, aber auch auf makroökonomischer Ebene.
Die Übung möchte dieses Phänomen aus historischer Perspektive betrachten und dabei insbesondere zwei methodische Herausforderungen angehen. Die erste Herausforderung bezieht sich auf die Lokalisierung relevanter Primärquellen, die die Angst vor technologischer Disruption zum Ausdruck bringen, wie insbesondere Parlamentsreden, Zeitungsartikel, Gerichtsurteile oder Arbeiterautobiografien. Dies wird dadurch erschwert, dass vor dem 20. Jahrhundert Erwähnungen der Beschäftigungsauswirkungen von Innovationen keinen einheitlichen Begriff für das Ersetzen von Arbeitern durch Technologie besaßen. Die zweite Herausforderung betrifft den Einsatz verschiedener Methoden der Sentimentanalyse, um die mit dem technologischen Wandel einhergehenden Hoffnungen und Ängste zu identifizieren und potentiell zu quantifizieren. Hierfür können etwa sogenannte Dictionaries, Word Embeddings oder Large Language Models verwendet werden. State-of-the-Art NLP-Bibliotheken für Sentimentanalyse werden ausgewählt, um in kurzen Übungen deren Potenziale und Möglichkeiten für die digitale Geschichtsschreibung auszuloten. Wahlweise werden Jupyter Notebooks oder R Skripts vom Kursverantwortlichen vorbereitet, um den Teilnehmenden zunächst die Grundlagen zu NLP und insbesondere zur Sentimentanalyse zu vermitteln, woraufhin diese selbstständig kleineren Fragestellungen nachgehen können. Wir werden die verschiedenen Methoden vergleichen sowie deren Leistungsfähigkeit in historischen Kontexten bewerten.
Insgesamt kann die Beschäftigung mit früheren Technologieängsten Licht auf aktuelle Diskurse über die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz werfen und dazu beitragen, das Verständnis von Ökonomen über technologische Arbeitslosigkeit – oder verwandte Konzepte wie Skill-Biased Technological Change – zu verbessern. Ziel der Übung ist es, Interesse an einer historischen Fragestellung mit wichtigen ökonomischen Implikationen zu wecken und einen ersten Einblick in die Sentimentanalyse als Methode der digitalen Geschichtswissenschaften zu vermitteln sowie die damit verbundenen Potenziale und Herausforderungen aufzuzeigen.
Vorkenntnisse sind ausdrücklich nicht notwendig.
Ausgleichsberechtigte Studierende wenden sich zur bevorzugten Platzvergabe per E-Mail mit einem Nachweis der Ausgleichsberechtigung an die Studienkoordinationsstelle Geschichte. Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ausgleichsberechtigungen ist der letzte Tag der zentralen Frist, 16 Uhr. Textnachrichten in AGNES werden hingegen nicht gelesen!
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