In Zeiten prekärer Zukunftsbilder und kritischer Vergangenheitsaufarbeitung nimmt die »notorisch umstrittene« Fortschrittsidee eine ambivalente Stellung ein (Rahel Jaeggi). Einerseits aus postkolonialer Perspektive als eurozentrische Legitimationsgrundlage des Kolonialismus problematisiert und abgelehnt, finden sich der ideologische Nachhall von Ideen europäischer Überlegenheit und ökonomische Fortschrittsversprechen weiterhin in politischer Kommunikation und kapitalistischen Globalisierungsrhetoriken wieder. Das Projekttutorium beschäftigt sich aus postkolonialer Perspektive mit der Idee des Fortschritts und stellt diese in einen Dialog mit der Kritik am Fortschrittsnarrativ durch die Kritische Theorie der Frankfurter Schule. Beide Theorieströmungen, so lautet die Arbeitshypothese des Tutoriums, verhandeln das Fortschrittsnarrativ im dialektischen Spannungsfeld der völligen Ablehnung und des Versuchs einer strategischen Umkodierung, die den Fortschrittsbegriff als zukunftsgerichteten politischen Imperativ (Amy Allen) oder als Utopie (Theodor W. Adorno) zu retten versucht. In kritischerer Reflexion der kolonialen Hypothek und des universalistischen Impetus der Ideale der Europäischen Aufklärung steht die Politikwissenschaftlerin Nikita Dhawan für deren Repositionierung im Dekolonisierungsprozess; für den Versuch, das »Haus des Herren mit seinem eigenen Werkzeug zu demontieren« (Dhawan). Diese Perspektiven sollen im Projekttutorium mit dem Ziel erschlossen werden, die seltsam hartnäckige, anachronistische Zukunftsmusik des Fortschrittsnarrativs kritisch zu beleuchten.
Das Projekttutorium lädt herzlich interessierte BA-Studierende aller Studienfächer ein und richtet sich insbesondere an Personen mit Vorwissen zu Kritischer und Postkolonialer Theorie und dem Fortschrittsbegriff.
Hausarbeit bei Claudia Bruns
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